Die judenfeindliche Schmähplastik

verhüllte Schmähplastik

Einer der 14 Wasserspeier an der St. Stephani-Kirche zeigt eine bösartige judenfeindliche Karikatur. Auf obszöne Weise wird ein Jude dargestellt, der sein Gesicht dem Hinterteil einer Sau zuwendet. Sogenannte „Judensau“-Darstellungen waren im deutschsprachigen Raum seit dem Mittelalter verbreitet. Sie sind Zeugnisse jahrhundertelanger christlicher Judenfeindschaft und würdigen Jüdinnen und Juden herab. Vereinzelt finden Sie sich heute noch an deutschen Kirchen, in Sachsen-Anhalt gibt es die Schmähplastiken noch an drei weiteren Orten.

Wie die anderen 13 Wasserspeierfiguren an der St. Stephani-Kirche datiert auch die judenfeindliche Schmähplastik aller Wahrscheinlichkeit nach nicht auf das Mittelalter. Sie unterscheidet sich damit von anderen sogenannten „Judensau“- Darstellungen an deutschen Kirchen, etwa in Wittenberg, Regensburg oder Magdeburg. Das zeigt sich schon an ihrem Äußeren: Zum einen fehlt der Figur in Calbe der markante „Judenhut“, durch den im Mittelalter Jüdinnen und Juden kenntlich gemacht wurden. Zum anderen kennt das Mittelalter die Darstellung von Juden mit Kippa und Schläfenlocken nicht, wie sie an der St. Stephani-Kirche zu sehen sind. Die Fertigung des judenfeindlichen Wasserspeiers in Calbe liegt dementsprechend nicht Jahrhunderte zurück, sondern datiert wahrscheinlich auf das 19., vielleicht sogar das frühe 20. Jahrhundert. In dieser Zeit hatte der Judenhass bereits deutlich rassistische Züge angenommen. An vielen Orten gründeten sich antisemitische Parteien und Verbände und legten mit ihrer Ideologie die Grundlage für die spätere Entrechtung und Verfolgung von Juden im Nationalsozialismus.

Die Schmähplastik an der St. Stephani-Kirche führt uns damit vor Augen, wie aktuell die Geschichte christlicher Judenfeindschaft ist. Eindrücklich zeigt sie auf, wie eines der einflussreichsten antijüdischen Motive immer wieder neu aufgegriffen wurde und über Jahrhunderte öffentliche Verbreitung fand.

Die Schmähplastik an der St. Stephani-Kirche ist heute verhüllt. Der Gemeindekirchenrat möchte damit zum Ausdruck bringen, dass er sich von der judenfeindlichen Aussage der Figur deutlich distanziert und ihr etwas entgegensetzen möchte.